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Commons School

3 Minuten Lesezeit

Quo vadis Bildung?

Bildungsstrukturen haben sich seit der Etablierung des Systems Schule kaum verändert. Die Veränderungsgeschwindigkeit technischer Prozesse hat exponentiell zugenommen. Auch Gesellschaft mit allen Bereichen folgt dieser Dynamik.
Hier ein kurze Animation, die die Geschwindigkeit der Veränderungen verdeutlicht.

Was passiert, wenn die alten Strukturen Entwicklung und Veränderung behindern, ist für den Bildungsbereich im Verlauf der Corona-Krise deutlich geworden. Die Bereitschaft zur Veränderung ist auf institutioneller Ebene kaum zu erkennen. Es herrscht ein System der Selbsterhaltung - wenig innovativ, nicht mutig, ohne positive Fehlerkultur, mit langsamen (nicht mehr zeitgemäßen) bürokratischen Strukturen, die Kommunikation und Kollaboration behindern statt zu unterstützen.

Lösungsmöglichkeiten?

In Anlehnung an Stalders "Kultur der Digitalität" lassen sich beide beide Lösungsmöglichkeiten - postdemokratische Strukturen und Commons - auf Bildung übertragen.

postdemokratische Strukturen

Dem Bildungssystem wird eine Umgebung, ein Handlungsspielraum vorgegeben, in dem sich die Schulen als Institutionen und der Einzelne zurechtfinden muss. Beteiligten wird das Gefühl vermittelt, "frei und eigenverantwortlich zu handeln". Politik entscheidet, legt den Möglichkeitsraum der Handlungen fest. Schulen müssen diesen füllen und es wird der Eindruck erweckt, als hätten sie eine Fülle von Handlungsmöglichkeiten. Gleichzeitig wird ihre Machtlosigkeit deutlich, wirkliche Veränderungen anzugehen und entsprechende Entscheidung zu treffen, denn "die Handlungsoptionen sind schon vorstrukturiert, dass die Wahl keine freie mehr ist".

Fazit:

Haben wir 😉

Commons

Commons sind die von Stalder als "gemeinschaftliche Formationen" bezeichnete Strukturen, die in drei Dimensionen unterschieden werden:

common pool resources - darunter sind die gemeinsam genutzten Güter zu verstehen: für den Bildungsbereich - Schulgebäude, Ausstattung
Bewirtschaftung dieser Güter von den Commoners (= alle an Bildungsprozessen Beteiligte), die "Ressourcen herstellen, nutzen und pflegen": für den Bildungsbereich - Unterricht, Lehren und Lernen
"Formen des 'Commoning'" - "Praktiken, Normen und Institutionen, die von den Gemeinschaften entwickelt werden": für den Bildungsbereich - entstehenden Materialien, Konzepte, Werkzeuge, ...

Entscheidender Unterschied zu postdemokratischen Strukturen ist die "direkte soziale Kooperation", die bestimmender Faktor dieser gemeinschaftlichen Formationen ist und diese strukturiert. Gerade diese "Verwaltung", auf Kommunikation und Kollaboration beruhend, lässt sich mit und durch digitale Technologien ermöglichen und weiterentwickeln. Informationsaustausch, kollegiale Treffen zur Abstimmung der Prozesse lassen sich effektiv in digitaler Form realisieren, und verstärken das gegenseitige Vertrauen, das in Präsenztreffen aufgebaut wird. Funktionierende Beziehungen sind die entscheidende Grundlagen für ein Funktionieren der Commons.

Für Schule bedeutet das, dass die einzelne Schule über ihre Ausrichtung unter Beteiligung aller entscheidet. Konzepte, Werkzeuge, Inhalte, Abläufe werden beraten, getestet, weiterentwickelt. Kooperationen mit anderen Schulen ergeben ein System, dass sich selbst unterstützt, entwickelt und für verschiedene Bedarfe die unterschiedlichen Angebote bereitstellt, ohne durch Zentralisierung eine Verallgemeinerung und damit Einengung aufzubauen.

Fazit:

Die Entwicklung der Bildung scheitert heute weniger an fehlenden Ideen als an überkommenen und veralteten Strukturen.
Ideen sind vorhanden - hier nachzuschauen. Viele Kolleg:innen haben ihre bereits erprobten Vorschläge als Kurzstatements zusammengefasst als Antwort auf den Aufruf von Christian Füller: "45 Sekunden Neue Schule statt 45 Minuten still sitzen".

Endlich die vorhandenen Potentiale zulassen und die Breite umsetzen.
Bildungsstrukturen an Erfordernisse anpassen - nicht umgedreht!
Technologische Möglichkeiten nutzen.

Und um eine erfolgreiche Neustrukturierung umsetzen zu können, ist auch eine Neustrukturierung des Lehrerbildung in allen Phasen - von Lehramtsstudium über das Referendariat bis hin zur Fort- und Weiterbildung - notwendig. Jetzt.

(Alle Zitate aus Stalder, F. (2016). Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp.)