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Coronakrise - und was ist mit Schule?

4 Minuten Lesezeit

Bei den angegebenen Links handelt es sich um externe Links.

Problemfelder von Schule und Bildung, die sich nicht erst seit #corona stellen

  1. Schule als gesellschaftliche Institution
  2. Zusammenhang zwischen Schule und Lernen
  3. Lehrende und ihre Rolle in Schule
  4. Lernort als Bündelung von Möglichkeiten und Angeboten

Schule als gesellschaftliche Institution

Sucht man nach einer Definition des Begriffes Schule wird man schnell in diesem Kontext auf Worte wie "Lehranstalt", "Bildungseinrichtung", "Ausbildungsstätte" oder ganz einfach "Schulhaus" treffen.
An dieser Auswahl sieht man deutlich die Anbindung - und damit einhergehende Reduktion - des Begriffes an lokale Eigenschaften. Schule wird als Ort verstanden. Ein Ort, an dem Kinder beschult werden, von Lehrern, in einer durchorganisierten und auch zeitlich abgestimmten Struktur.
Natürlich gab es bei Entwicklung und Etablierung des Schulsystems dafür gute Gründe - aber die beziehen sich auf Bedingungen einer Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Schule muss heute mehr sein als Aufbewahrungsanstalt und Vermittlung von Basiswissen für Kinder.
Dass diese Bedingungen nicht mehr für das 21. Jahrhundert funktionieren, ist klar, führt aber eben nicht zu den dringend notwendigen und schon oft angemahnten Veränderungen.

Vielmehr wird an "kleinen Stellschräubchen" gedreht und versucht, das System zu erhalten und sich trotzdem den Anschein von Entwicklung zu geben.
Meiner Meinung nach wird aber damit eher eine Unwucht im Gesamtsystem Schule verursacht, die jetzt in diesen Krisenzeiten immer deutlicher zu Tage tritt.

Unwucht - rein physikalisch betrachtet versteht man darunter die unsymmetrische Verteilung der Massen eines rotierenden Körpers. Dies führt bei einem nicht ausgewuchteten Rotator zu drehzahlabhängigen Vibrationen, die zu Verschleiss und im Extremfall zur Zerstörung des ganzen Systems führen können. (https://systemdesign.ch/wiki/Unwucht)

Und nach der Corona-Krise?

Vorschlag:

Zusammenhang zwischen Schule und Lernen

Lernen bedeutet nicht Anwesenheit und Disziplin.
Lernen ist nicht an einen Ort, sondern eher an Neugier, Motivation, Einstellung gebunden.
Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie wird dies überdeutlich. Lernprozesse sollen und werden (wie gut oder auch nicht will ich hier nicht diskutieren) außerhalb der Schule organisiert.
Das Verständnis von Lernen als Prozess der Selbstorganisation wird jetzt die Grundlage des Arbeitens - für Lehrende und Lernende. Und auch hier zeigt sich eine Schwäche des aktuellen Systems Schule - Selbstorganisation war in den wenigsten Fällen immanenter Bestandteil des schulischen Lernens und nachhaltig verankert.
Allerdings müssen sich jetzt Lernende allein motivieren, organisieren, Inhalte produzieren und präsentieren. Dass dafür nicht die althergebrachten Aufgabenformate aus Lehrbüchern sinnvoll sind, fällt auf und Lehrende sehen sich damit konfrontiert, ihre bisherigen Planungen, wenn nicht sogar ganz über den Haufen zu werfen, so doch zu überarbeiten und an die neuen, nun auch digitalen Bedingungen und Anforderungen des Lernens anzupassen.
Dabei zeigt sich, dass Lernen nicht an den Ort gebunden ist, und wirft somit die Frage auf, was passiert mit dieser Erkenntnis und der erfolgreichen Umsetzung von #distancelearning nach der Corona-Krise?

Vorschlag:

Lehrende und ihre Rolle in Schule

Schule soll der Ort zum Lernen sein, der Ort an dem gelernt wird. In herkömmlichen Vorstellungen meist der Ort des von Lehrer:innen organisierten und vorstrukturierten Lernens - Wissensinhalte, Methoden, Medien werden vorgegeben, Kooperationspartner bestimmt, Lernwege abgesteckt.
Dies alles fokussiert sehr auf die Rolle des Lehrenden.
Doch schon lange ist die Rede von schülerzentriertem Unterricht. Angekommen im System Schule ist er schon - aber wirklich schon flächendeckend?
Lehrer:innen müssen sich der neuen Rolle als Lernbegleiter und -unterstützer bewusst sein. Wissensvermittlung als dominante Aufgabe des Lehrenden ist überholt. Instruktive Phasen wird es immer geben, aber sie sind zunehmend individualisiert und zeitlich verkürzt als Teil eines formativen Assessment-Prozesses zu verstehen.
Diesem neuen Verständnis widerspricht auch das derzeitige System der Bewertung. Noten, Abschlüsse und Prüfungen sind immer noch - da als Ende des Schuljahres oder der Schulkarriere geplant - Orientierungspunkt für alle an Bildung Beteiligten. Um nachhaltig das System Schule zu verändern, ist ein Umdenken dieser Prozesse unabdingbar. Auch jetzt im Distanzlernen zeigt sich schon die Fragwürdigkeit von Benotungen.
Und nach der Corona-Krise?

Vorschlag:

Lernort Schule als Bündelung von Möglichkeiten und Angeboten

Was wir nach der Krise vorfinden werden, ist ein neues Verständnis von Bildung und neue Anforderungen, die an das System Schule gestellt werden.
Nicht nur Lehrende und Lernende, auch Eltern und Politik haben erlebt, dass Lernen anders funktioniert als nach der bisherigen Formel:

Schule = Lernen = 1 Lehrer:in + ca. 25 Schüler:innen - in einem Raum + gleicher Lerninhalt + gleiche Lernzeit + gleicher Lernweg + gleiche Methode + gleiche Medien

Es wird gerade die gesellschaftliche Organisation von Lehr- und Lernprozessen, wie wir sie alle bisher kennen, in Frage gestellt - zurecht.

Und sehen wir das bitte nicht als Bedrohung, sondern als Chance für eine echte Veränderung, als Aufgabe für alle Beteiligten.