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Ki-Hype oder Next-Level-Digitalität

5 Minuten Lesezeit

KI-Hype oder Next-Level-Digitalität?

KI fasziniert Gesellschaft, Arbeitswelt und natürlich Bildungsszene. Doch was ist dran an dem Hype für die Bildung?
Das frage ich mich schon länger. Ich selbst nutze regelmäßig LLMs, eher selten lasse ich mir Präsentationen erstellen und für KI-generierte Bilder hatte ich beruflich bisher so gut wie keine Verwendung. Dennoch faszinierten mich die Möglichkeiten. Ich sehe die Vorteile für mich, aber auch Grenzen.
Ich sehe die Gefahr, sich durch die Konzentration auf diese neue Art von "Tools" wieder stark auf die technischen Aspekte und Möglichkeiten zu konzentrieren. Ich wünsche mir, dass wieder der Blick auf die Kultur der Digitalität gerichtet wird - auf die Veränderungen der kulturellen Praktiken, die sich daraus ergeben.

Neue Versionen und Weiterentwicklungen verschiedener "KI"-Tools lösen Hoffnungen aus. Doch was bringen diese Weiterentwicklungen tatsächlich für pädagogisch–didaktische Konzepte? Sehen wir eine echte zukunftsorientierte und nachhaltige Umgestaltung von Bildungsstrukturen?

Verständnis KI

Am Verständnis der Begrifflichkeit zeigt sich häufig, inwieweit aus den entsprechenden Konzepten wirklich Veränderungspotenzial gezogen werden wird.
KI - Künstliche Intelligenz, die Planungen und neue Konzepte erstellt und für Innovation sorgt?
Oder doch eher - Generative Models?
Wir sollten schon die Begrifflichkeit hinterfragen. Der große Boom der Large Language Models, der seit Veröffentlichung von ChatGPT am 30.11.2022 seinen Lauf nahm, führte zur, meiner Meinung nach, inflationären Benutzung des Begriffs KI für diese Tools. Sind diese Tool wirklich die künstliche Intelligenz? ;)
Beat Döbeli Honegger begründete in seinem entsprechend betitelten Blogpost vom 31.05.2024 "Warum wir den Begriff "Künstliche Intelligenz" vermeiden sollten" und der Begriff des GMLS (Generative Machine Learning System) zutreffender sei.
Egal, wie die Bezeichnung auch immer gewählt wird, versprochen werden eine Revolution oder mindest tiefgreifende Veränderungen.

Was machen wir mit diesen "KI-Tools"?

Was ist dran an diesen Versprechungen? Die Tools, die im Zusammenhang mit KI auftauchen, sind eine natürliche Antwort auf die Bedarfe, die sich aus dem gesellschaftlichen Entwicklungen ergeben. Sie lösen die Probleme, die wir in unseren Arbeitsprozessen lösen möchten. Dies sind vor allen Fragen nach einer höheren Effektivität bei Suchanfragen, um die unüberschaubare Menge an Informationen durchsuchen zu können.
Algorithmen werden verfeinert und weiterentwickelt, um uns diese Suche zu erleichtern, um Suchergebnisse schneller liefern zu können und vor allen Dingen präzise und passender nach unseren Anfragen zu suchen. Doch werden damit wirklich Veränderungen angestoßen?
Meiner Meinung nach wird dieses Veränderungspotenzial nicht ausgeschöpft. Eher im Gegenteil: es werden bestehende Strukturen verfestigt. Abläufe werden effektiver gestaltet, es finden Erleichterungen hinsichtlich bestimmter Abläufe bzw. bei Arbeitsprozessen statt. Man kann sich nicht nur wie bisher die entsprechenden Links als Antwort auf die Suchanfrage auflisten lassen. Die Links werden gleich analysiert und entsprechend der Fragestellung (prompt) ausgewertet und verarbeitet. So entstehen z.B. Mails, Einladungstexte, Unterrichtsentwürfe.
Allerdings sind diese Produkte nicht innovativ.
Neues Wissen wird nicht generiert, denn diese Tools, von denen hier die Rede ist, können zwar sehr schnell bestehende Wissensbestände durchsuchen und uns so beim Filtern von großen Informationsmengen helfen, doch neue Erkenntnisse stellen Sie nicht her. Die kann nur die Person vor dem Bildschirm leisten - jetzt natürlich effizienter als früher und auf Grundlage einer größeren Datenbasis. Denkprozesse werden aber nicht ersetzt.

Für mehr Digitalität beim Lernen

Wiederum sind beim Umgang, beim Arbeiten mit diesen Tools gerade das Basiswissen und die entsprechenden Kompetenzen entscheidend. Denn gelieferte Ergebnisse aus diesen Anfragen/Prompts können nur auf Grund des eigenen abrufbaren Wissens und des kompetenten Umgangs mit diesen Wissensbeständen bewertet und in neue Zusammenhänge gesetzt werden.
Meiner Meinung nach wird also durch den Einsatz der Generative Models die Wichtigkeit des Vorwissens und der Kompetenzen wichtiger denn je.
Eine große Aufgabe von Bildung wird es sein, allen Lernenden deutlich zu machen, wie wichtig die eigenen Lernprozesse sind. Die Verinnerlichung von Wissen, die Möglichkeit auf abrufbares Wissen zuzugreifen und andererseits Kompetenzen bereitzustellen, diese Wissensbestände zu bewerten, zu verknüpfen, ist als Basis für den Umgang mit GMLS essentiell.
In einer Kultur der Digitalität war schon immer das Grundverständnis der drei Grundformen der Digitalität für Lernprozesse entscheidender als der Umgang mit Tools.
Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität sind die entscheidenden Faktoren, die Lern- und Arbeitsprozesse prägen. Egal, mit welchen bereits vorhandenen oder auch in Zukunft noch neu auftauchenden Werkzeugen.
Wissensbestände in Beziehung zueinander zu setzen, neu zu kombinieren miteinander zu verflechten, neue Erkenntnisse daraus zu gewinnen und in die Auseinandersetzung mit anderen über diese neuen Zusammenhänge zu gehen, ist eine wichtige Grundhaltung in einer Kultur der Digitalität und sollte den Kern des Lernens bilden.
Werkzeuge, die die Algorithmen ausnutzen, um Prozesse beim Lernen und Lehren zu unterstützen sind von großer Bedeutung, um Effektivität und Produktivität zu erhöhen. Sie können Lernprozesse also unterstützen, jedoch nicht ersetzen.

Und was ist mit Schule?

Der schulische Bildungsbereich hat sich strukturell wenig verändert und folgt noch den prägenden Haltungen des Industriezeitalters - Vermittlung von Grundwissen, Herstellung der Arbeitsfähigkeit für Produktionsprozesse, Betreuung der Kinder und Jugendlichen, um Eltern eine Arbeitstätigkeit zu ermöglichen. Ausrichtung auf Effizienz und Produktivität. Schneller, größer, weiter ...
Mittlerweile hat sich gezeigt, dass soft skills gefragt sind wie z.B. Teamarbeit, Flexibilität, Kommunikation.

Warum werden aber die Grundformen der Digitalität - Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität - so wenig in schulische Bildungsprozesse einbezogen? Warum nutzen wir Tools, um alte Strukturen zu festigen und noch effizienter zu gestalten?

Imho: Weil schulische Bildung strukturell noch im 19./20 Jahrhundert steckt.

Deshalb bitte mehr Mut zu strukturellen Veränderungen! Lösungen für die jetzigen Probleme ergeben sich nicht durch Festhalten an alten und überholten Strukturen.
Mutige Projekte wie z.B.:
Universitätsschule Dresden https://universitaetsschule.org
Ernst-Reuter-Schule Karlsruhe https://www.ers-karlsruhe.de/schulgemeinschaft/
und viele andere ...

Hilfreich für alle, die in die Transformation starten wollen, sind, können die beiden folgenden Tools sein. Sie geben Orientierung bei der Standortbestimmung und auch beim Navigieren und Nachsteuern durch den Transformationsprozess:

Kompass für den digitalen Wandel https://kompassdigitalerwandel.ch
Navigator Bildung Digitalisierung https://www.forumbd.de/projekte/navigator-bd/

Mutige Schritte wagen. Fehler sind Lerngelegenheiten!