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"If you aren't struggling, you aren't really learning."

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"If you aren’t struggling, you aren’t really learning."

Dieser Satz ist für mich einer der wichtigsten überhaupt - für Bildung im Allgemeinen, aber auch für Bildung unter den Bedingungen der Digitalität im Besonderen. Und für Lehrende wie für Lernende gleichermaßen gültig.
Hier zeigt sich deutlich die entscheidende Haltung, die eine alte, überholte Lehrhaltung von einer neuen, konstruktivistischen unterscheidet. Und nicht allein der Konstruktivismus ist die Basis, wie ich finde. In einer digital geprägten Welt können konstruktivistische Lehr-Lernszenarien nur stattfinden, wenn man sie unter den Bedingungen des Konnektivismus konzipiert. (Empfehlung zum Weiterlesen:Knowing Knowledge by Georg Siemens)

Also: Raus aus der Welt der Trichter, der Einbahnstraßen in der Bildungswelt.

Der Wissensfluss funktioniert nicht nicht mehr in nur eine Richtung, auch Lehrende sind Lernende.
Lehrenden besitzen keine Wissenshoheit mehr - sie können Wissen nicht mehr zuteilen, sie werden hinterfragt. Und sie können nur bestehen und selbst lernen, wenn sie in Netzwerken arbeiten - sich austauschen und voreinander lernen. Wie ihre Schüler*innen!

Aber nicht nur die Lehrenden - ihre Haltungen und Methoden z.B. - werden hinterfragt, sondern das Wissen an sich. Und dabei muss man zwischen Information und Wissen unterscheiden.

Wissen und Informationen

Informationen sind schnell verfügbar. Sie liegen z.B. als Fakten oder Daten vor.

Wissen ist das, was man daraus macht - die Verknüpfungen, Wertungen, Einordnungen - eben das, was früher durch Lehrende vorgegeben wurde. Wissen wurde kategorisiert und katalogisiert. Schulen und Universitäten haben Wissen in Fächer oder Gebiete eingeteilt und quasi in Kartons verpackt - ein super Ordnungssystem.
(siehe heutige Schulfächer)
Diese Zeit des Containerwissens aber ist vorbei. Wissen ist eben nicht nur die Information über eine Sache, sondern auch, wie ich diese Sache anwende, welche Haltung ich zu ihr habe, mit welchen anderen Dingen ich sie in Beziehung setze und wo ich weitere Informationen finde. Nicht zuletzt gehört auch die Veränderung, Anpassung oder Erneuerung bzw. Widerlegung dazu.
Es gilt also für alle Lernenden:

If you aren't struggling, you aren't really learning."

struggel in/of/for teaching

Aufgabe der Lehrenden ist es, den Lernenden bei der Konstruktion der Zusammenhänge zwischen diesen Informationen hilfreich zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen.
Damit definiert sich hier eine neue Rolle, ein neues Selbstverständnis der Lehrenden.

Aber darüber hinaus müssen Lehrende auch für die Bedingungen sorgen, in der dieser Lernprozess stattfindet. Hier überwiegt Teamarbeit.
Gemeinsame Projekte, die initiiert, geplant, erarbeitet, präsentiert und reflektiert werden, sind immer Prozesse, in denen Lernende zusammenarbeiten. Je nach Fähigkeiten und Vorlieben, aber auch nach Bedarfen und aus Zwängen heraus werden Arbeiten aufgeteilt. Networking ist notwendig. Dies erfordert auch eine Begleitung durch den Lehrenden.
Gut, wenn die Lehrenden wissen, wie das funktioniert.
In diesem Bereich - Zusammenarbeit, Lehrende als Teamplayer - sehe ich noch großen Bedarf in der LehrerInnenbildung, vor allem im Lehramtsstudium. Projektplanung, agiles Management, Leadership und Personalführung - heißt: solche Qualitäten gilt es auch auszubilden. Sie müssen Bestandteil von Studium und Fortbildung sein - noch besser ist es, wenn sie normaler Bestandteil des Workflows der Lehrenden sind und sie somit die Vorbildrolle einnehmen, mit der sie ihre Schüler*innen inspirieren.

Lehrenden müssen Lernende auf dem Weg des Lernens begleiten und dafür sorgen, dass Lernen ein aktiver - und das heißt für mich auch ein anstrengender und motivierender - Prozess ist.
Nur in der Auseinandersetzung mit den Informationen, Gegenständen, Prozessen und Menschen eigenen wir uns Kompetenzen an, die wir für die Gestaltung der Zukunft benötigen.

Lernen als lebenslanger Prozess, in dem Wissen durch die Zusammenarbeit in Netzwerken immer wieder neu durch die Lernenden konstruiert wird - Idealbild und Gegenentwurf zum Nürnberger Trichter.
Der machte Lernen (angeblich) einfach. Wissen wurde als Schüttgut betrachtet, gut verpackt in Containern - eine fertige, in Portionen zugeteilte Menge, die der Lernende übernehmen sollte. Einmal einverleibt, sollte Wissen gespeichert sein und nur weitere Übungen zur Festigung wären notwendig.

Aber Wissen ist weder fertig, noch lässt es sich in Lernende übertragen.
Wissen ist in einer digitalen Welt fluide. Es verändert sich, wächst, neue Zusammenhänge werden erkannt, bisher noch nicht gemachte Entdeckungen müssen integriert werden. Hier steckt das Lernen, die Auseinandersetzung, die Freude, der Wissenszuwachs - mit anderen und durch andere - zusammen. Denn das Lernen muss sich der Realität anpassen und die liegt im Netzwerk.
Die Wissenscontainer öffnen und den Inhalt miteinander verbinden, neu strukturieren, ... eben lernen!

All dies ist für viele von uns selbstverständlich - aber trotzdem wird an einem starren Bildungssystem festgehalten, dass nicht oder nur ungenügend auf diese veränderten Bedingungen reagiert.
Mehr Fluidität würde allen Phasen der Lehrer*innenbildung gut tun.

Wir leben im 21. Jahrhundert, dann lasst uns auch so lernen.

Der Titel dieses Blogposts ist dem unten verlinkten Artikel entnommen. Für den vollständigen Beitrag bitte auf das Bild klicken.

Link:https://news.stanford.edu/2019/09/30/embrace-struggle-education-professor-challenges-common-beliefs-teaching-learning/